Kastration - ja oder nein?

Was ist das Beste für den Hund?

 

Begriffsbestimmung

 

Bei einer Kastration werden beim männlichen Tier die Hoden, beim weiblichen die Eierstöcke entfernt, wodurch die Produktion von Geschlechtshormonen verhindert und das Sexualverhalten weitgehend unterbunden wird. Im Gegensatz zur Kastration werden bei der Sterilisation die Keimdrüsen belassen; die Tiere werden auf diese Weise unfruchtbar - allerdings bleiben die Produktion von Geschlechtshormonen und somit das Sexualverhalten erhalten. In der Tiermedizin werden in der Regel nur Kastrationen durchge-führt. Allerdings: Unser Tierschutzgesetz verbietet grundsätzlich die Amputation von Körperteilen sowie das Entnehmen oder Zerstören von Organen (§ 6 TierSchG). Hundehalter, die ihren Hund ohne medizinische Indikation kastrieren lassen, verstoßen damit faktisch gegen geltendes Recht. 

 

Gründe für eine Kastration?

 

Vertretbar ist eine Kastration, bei der es sich immerhin um einen nicht unerheblichen operativen Eingriff handelt, ausmeiner Sicht grundsätzlich nur wenn der Hund an einer Erkrankung leidet, die eine Kastration aus medizinischer Sicht erforderlich macht. Dies kann auch auf Rüden zutreffen, die so extrem auf läufige Hündinnen reagieren, dass sie nächtelang jaulen, keine Ruhe finden und gar das Fressen verweigern. In so einem Fall kann man von einem echten Leidensdruck sprechen; eine Kastration erscheint sinnvoll.

 

 

Medizinische Gründe für eine Kastration beim Rüden können eitrige Vorhautentzündungen, Veränderungen der Hoden oder Prostatabeschwerden sein. Bei der Hündin können wieder-kehrende Scheinträchtigkeiten mit der möglichen Spätfolge einer Krebserkrankung im Bereich der Gesäugeleiste, Gebär-mutterentzündungen sowie -vereiterungen, Eierstockzysten oder zyklusabhängige Gesäugetumore eine medizinische Indikation für eine Kastration liefern. Eine ungewollte Trächtig-keiten bei einer Hündin dagegen kann durch einen verant-wortungsvollen Hundehalter leicht verhindert werden. 

 

Sowohl die angesprochenen Vorhautentzündungen als auch Scheinträchtigkeiten lassen sich allerdings häufig gut mit klassischer Homöopathie behandeln. Und: die Kastration wirkt der Bildung von Mammaturmoren, die im Übrigen viel weniger häufig vorkommen als landläufig angenommen wird, nur dann entgegen, wenn vor der ersten Hitze kastriert wird.

 

Frühkastrationen können jedoch schwerwiegende Folgen für die betroffenen Tiere nach sich ziehen - hierzu später mehr.

 

Folgen und Nebenwirkungen...

 

Eines vorweg: Jedes Lebewesen produziert weibliche und männliche Hormone in einem ausbalancierten Gleichgewicht. Durch eine Kastration greift man entscheidend in dieses Gleichgewicht ein und bringt es zwangsläufig in "Schieflage".

 

So hat z.B. die Kastration eines Rüden nur Einfluss auf die männlichen Hormone. In der Nebenniere werden jedoch auch Hormone produziert, so dass die Balance zwischen weiblichen und männlichen Hormonen zugunsten der weiblichen Hormone gestört ist. Der kastrierte Rüde riecht damit deutlich weiblich und wird damit interessant für intakte Rüden, die vermehrt versuchen werden, ihn zu besteigen. Ein Spießrutenlaufen für den Kastraten, der in ernsthaften Auseinandersetzungen enden kann. 

 

Nachfolgend aufgeführte Folgen der Kastration bei Hündinnen wurden wissenschaftlich belegt:

Veränderungen des Fells: 49 % 

Gewichtszunahme: 44 % 

Inkontinenz: 28 %

Veränderungen in der skelettalen Entwicklung: 4%

 

Als Ursache des häufigen Harntröpfelns bei Hündinnen, das meist innerhalb der ersten zwei Jahre nach der Kastration beginnt, wird der Wegfall des Hormons Östrogen gesehen, das u. a. für die Schließmuskelfunktion der Harnblase mit-verantwortlich ist. Darüber hinaus neigen kastrierte Hündinnen im späteren Alter zu weiteren Hormonstörungen (Schilddrüse, Nebennierenrinde). 

 

Eine Kastration ist kein Allheilmittel für Verhaltensprobleme und ersetzt nicht die richtige Sozialisation, Erziehung und artgemäße Haltung des Hundes. Nur sexuell bedingte Aggressivität kann durch eine Kastration beeinflusst werden, nicht aber Aggressivität, die durch Beutefang-, Revier- oder Dominanzverhalten ausgelöst wird. 

 

Mittlerweile liegt auch eine retrospektive Langzeitstudie aus den USA vor, welche die Prävalenz und das Risiko verschie-dener Autoimmunerkrankungen sowohl bei intakten Rüden und Hündinnen als auch bei kastrierten Tieren untersucht hat. Immerhin sechs der Autoimmunerkrankungen wiesen bei kastrierten Hunden eine signifikant höhere Prävalenz auf als bei intakten Tieren!

 

Die so oft praktizierte "grundsätzliche" Kastration ohne kon-krete medizinische Indikation von Hunden ist aus unserer Sicht daher sowohl aus tierschützerischen wie aus verhaltens-biologischen Gründen abzulehnen.

 

Die Aussage, dass sich unerwünschte Verhaltensweisen bei Rüden durch eine Frühkastration gar nicht erst entwickeln, trifft nicht zu.

 

Damit das Ungeborene sich zu einem männlichen Tier ent-wickelt muss ein Testosteronschub im Mutterleib erfolgen. Unterbleibt dieser, entwickelt sich eine Hündin. Im Klartext heißt das, dass nicht erst der Testosteronschub in der Pubertät den Anstoß für rüdentypisches Verhalten gibt, ausschlag-gebend ist vielmehr in erster Linie der der pränatale Hormon-schub.

 

Das erklärt, warum selbst nach der Kastration im vorpuber-tären Stadium männliche Verhaltensweisen wie das typische Markierverhalten, rüdentypisches Imponiergehabe und das Aufreiten statistisch bei gut der Hälfte der Rüden erhalten bleibt. 

 

Die Frühkastration bringt also weder beim Rüden noch bei der Hündin Vorteile, sondern eher Nachteile - und zwar sowohl auf die körperliche als auch auf die psychische Entwicklung der Tiere bezogen und wird daher aus Sicht des ZKR strikt ab-gelehnt!

 

 

 

Sehr lesenswerter Artikel von Tierarzt Dr. Ralph Rückert - ebenfalls zum Thema Kastration: 

 

 

Stellungnahme von Dr. Christiane Quandt - verhaltenstherapeutisch arbeitende Tierärztin, Berlin:

 

Und hier eine höchst aufschlussreiche Publikation von Sophie Strodtbeck und Udo Gansloßer:

 

Ein interessanter Artikel zum Thema mit neueren Forschungsergebnissen:

Darüber hinaus treten Mammatumoren laut Scherer (2002) auch bei kastrierten Hündinnen hormonunabhängig auf und diese Tumore sind deutlich häufiger bösartig als die hormon-abhängigen Tumore der nicht kastrierten Hündin, was eine Kastration als Prophylaxe auch insoweit zumindest fragwürdig erscheinen lässt.

 

Ein gern unterschätzter Risikofaktor in Bezug auf Gesäuge-tumore ist beispielsweise fehlerhafte, nicht artgemäße Ernäh-rung (zu eiweißreich, Überernährung, Fettleibigkeit). Vermut-lich liegt hier sogar die eigentliche Hauptursache bösartiger Tumore.

 

Dr. Gabriele Niepel führt in der sog. Bielefelder Kastrations-studie aus: 

  

..."Bei unkastrierten Hündinnen erkranken zwischen 1,98 und 2,8 (maximal 18,6) von 1000 Hündinnen, ( je nach Alter und Rasse ), das entspricht einen Prozentanteil von 0,2 bis maximal 1,8%. Frühkastrierte Hündinnen haben demgegenüber ein Risiko von 0,0093% nach der ersten Läufigkeit kastrierte Hün-dinnen tragen ein Risiko von 0,1488%. Entartungen treten zudem in der Regel im späten Lebensabschnitt auf, mit einem Durchschnittsalter von 10-15 Jahren (Stolla 2001). 

 

Angesichts dieser Wahrscheinlichkeit der Erkrankung muss die Frage erlaubt sein, ob der medizinischen Prophylaxegedanke gerechtfertigt ist. Diese Frage drängt sich umso mehr auf, wenn man sich die Wahrscheinlichkeiten unerwünschter - auch gesundheitlicher - Folgen der Kastration anschaut.

 

Bei Rüden wurden folgende Auswirkungen der Kastration beobachtet:

Gewichtszunahme: 47 % 

Verschwinden von Vorhautentzündungen: 45 % 

Veränderungen des Fells: 32 % 

Harnträufeln: 9 %

Veränderungen in der skelettalen Entwicklung: 3%

 

Was die kastrationsbedingte Gewichtszunahme angeht haben Studien gezeigt, dass etwa 50% der betroffenen Hunde größeren Hunger entwickeln. Trotz reduzierter Fütterung komme es häufig zu einer Gewichtszunahme. 

 

Die angeführten Zahlen zeigen aber auch, dass Geschlechts-hormone eine nicht unerhebliche Bedeutung in der Skelett-entwicklung spielen. So hat z.B. die Kastration eines Rüden nur Einfluss auf die männlichen Hormone. In der Nebenniere werden jedoch auch Hormone produziert, so dass durch den Eingriff die Balance zwischen weiblichen und männlichen Hormonen zugunsten der weiblichen Hormone gestört ist. Der kastrierte Rüde riecht damit deutlich weiblich und wird damit interessant für intakte Rüden, die vermehrt versuchen werden, ihn zu besteigen. Ein Spießrutenlaufen für den Kastraten, der in ernsthaften Auseinandersetzungen enden kann.  

 

Geht gar nicht: Die Frühkastration

 

Von Amerika drängt so manche Mode zu uns herüber, in den letzten Jahren vermehrt auch die Tendenz, Hündinnen schon vor ihrer ersten Läufigkeit, Rüden bereits im Alter von wenigen Monaten kastrieren zu lassen. Aber einen Hund vor Eintritt der Geschlechtsreife kastrieren zu lassen bedeutet, ihm seine weitere physische und psychische Entwicklung zu nehmen. - Welche Anmaßung der menschlichen Natur!

 

Die Pubertät mit ihren hormonell bedingten Einflüssen gehört zur gesunden körperlichen Entwicklung und auch zur geistigen Reife eines jeden Lebewesens dazu. Geschlechtshormone werden im Wachstum und bei der Ausreifung von Körper und Psyche benötigt. Die soziale Reife erreichen die Tiere mit etwa 1,5 Jahren. Die körperliche Ausreifung ist noch später abge-schlossen: Bei Hunden kleiner Rassen geht man von einem Alter von etwa 2 Jahren aus, bei großen von 3 Jahren und mehr. 

 

Ein weiterer Nachteil der Frühkastration zeigt sich beim Knochenwachstum der betroffenen Tiere; der Epiphysen-Fugenschluss verzögert sich, die Wachstumsfugen der Röhren-knochen verschließen sich erst verspätet, die Körpergröße und das Körpergewicht passen somit nicht immer zusammen. in der Folge können vorzeitige Arthrosen auftreten. Bei früh-kastrierten Hündinnen ist u.U. sogar mit einer Steigerung des Angstverhaltens (Trennungsangst, Fluchtverhalten bei bedroh-lichen Situationen) rechnen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Unten: Sehr ausgewogene und reflektierte Stellungnahme zum Thema von Prof. Axel Wehrend, Fachtierarzt für Reproduktions-medizin an der Justus-Liebig- Universität Gießen:

  


Quellen:

 

Dr. Gabriele Niepel, Die Bielefelder Kastrationsstudie

 

Dr. Christiane Quandt: Kastration als Lösung von Verhaltensproblemen beim Rüden?

 

Dr. Armin Kuntze: Kastration nur bei tiermedizinischer Indikation

 

Dr. Andrea Münnich: Kontrazeption - die Ausschaltung der Fortpflanzungsfähigkeit, in: Der Hund, 11/96, S. 28ff, 

 

Tina Stroop, http://www.homoeotherapie.de/tiergesundheit/kastration/kastration.html

 

Sundburg CR, Belanger JM, Bannasch DL, Famula TR, Oberbauer AM (2016): Gonadectomy effects on the risk of immune disorders in the dog: a retrospective study. BMC Vet Res 12: 278. doi: 10.1186/s12917-016-0911-5