Sind ja nur Mischlinge - Oder: Die Rattenfänger entlarven....

 

Früher hieß es im Volksmund immer dass Mischlinge gesünder als Rassehunde seien. Das hat natürlich die Rassehundezüchter geärgert - sollten denn alle Untersuchungen, Tests, Überlegungen zu einer guten und gesunden Verpaarung buchstäblich für die Katz´sein? - Plausibel ist letztlich nur eins: Mischlinge entstammen einem größeren Genpool als reinrassigen Hunde und damit ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich krankmachende rezessive Defektgene in den Welpen finden deutlich geringer, was im gleichen Zug die Wahrscheinlichkeit senkt, dass Erberkrankungen auftreten. Aber gut: es gibt ja auch noch eine ganze Reihe anderer Erkrankungen, die ein Hund im Laufe seines Lebens bekommen kann.... Wie sieht es damit aus?

 

Doch zunächst: WAS versteht man eigentlich unter einem Mischling? - Laut allgemeinem Sprachgebrauch aber auch in der korrekt (!) angewandten Sprache der Veterinärmediziner, Genetiker und Züchter versteht man unter einem Mischling das Ergebnis einer Zufallsverpaarung, die vom Menschen weder geplant noch gewollt war. Gemeint sind also beispielsweise die Fällen, in denen es der läufigen Hündin gelang, sich vom Grundstück zu stehlen und die nach drei Tagen ausgehungert, schmutzig und von irgendeinem Dorfrüden gedeckt zurückkehrte. Oder eben jene Straßenhunde, die es in großer Anzahl im Ausland gibt, über deren Ahnen man allenfalls spekulieren kann.

 

 

Das Ergebnis einer gewollten Verpaarung zweier Rassen nennt man dagegen (in der F1 Generation) Hybrid. Diese beiden Begriffe - Mischling und Hybrid - muss man, wenn man über Zucht spricht, streng voneinander trennen, denn die Benutzung des korrekten Vokabulars ist nunmal der Schlüssel zur Erkenntnis - ob einem das nun gefällt oder nicht! Letzter Satz gilt für jene "Experten", die immer betonen "was für sie selbst irgendetwas bedeutet". Und so kann es Klein-Inge in den sozialen Netzwerken - dem modernen Stammtisch des Computerzeitalters - gar nicht oft genug betonen: "Also für MICH ist ein Retromops ein Mischling!"  - Nun Klein-Inge: Zum Einen bist Du nunmal nicht das Maß aller Dinge und zum Anderen: So kann man Sprache nicht vergewaltigen, denn wenn für Dich ein Stuhl ein Bett ist und die Farbe rot für Dich grün ist, ist eine Verständigung langfristig nicht mehr möglich. Das Ergebnis ist Chaos! Und wenn man sich mit Klein-Inge nicht mehr unterhalten kann, wird auch irgendwann niemand mehr mit ihr spielen wollen!

 

Doch zurück zum Thema: Irgendwann tauchten dann wissenschaftliche Untersuchungen auf, die ergaben, dass Mischlinge eben doch nicht wirklich messbar gesünder seien als Rassehunde. Wunderbar - freuten sich die Reinrassezüchter, dann machen wir ja doch alles richtig und können unbeirrt unseren Weg fortsetzen. Menschen - auch Genetikern - die zur Erhöhung der immer kleiner werdenden genetischen Vielfalt innerhalb der jeweiligen Rasse die kontrollierte Einzucht sorgfältig ausgesuchter Fremdrasse forderten, wurde entgegengehalten "Das nutzt nix - weil: Mischlinge sind auch nicht gesünder!"

 

Bereits an dieser Stelle gehe ich davon aus, das die interessierte Leserschaft deutlich weniger bildungsresistent als manch ein Rassehundezüchter ist und erahnt was nun kommt! - Doch schauen wir uns doch einmal jene Studien, von denen hier die Rede ist und die so gerne von der Züchterschaft herangezogen werden, etwas genauer an!  

 

Eine anlässlich einer Dissertation gefertigte Untersuchung am Institut Tierzucht und Genetik der Vet. Universität Wien aus dem Jahre 2000 sollte die landläufige Meinung, dass Mischlingshunde grundsätzlich gesünder seien, überprüfen. Dazu wurden die Patientenakten von 5382 Hunde -davon 4070 Rassehunde und 1312 Mischlinge - aus dem Archiv einer Wiener Kleintierklinik ausgewertet. Die Studie zeigte, dass Mischlinge in der höheren Alterklasse überrepräsentiert waren und offenbarte ein etwas höheres durchschnittliches Todesalter. Zudem wurden bei Mischlingen häufiger Euthanasien und seltener Operationen durchgeführt.

 

Ein Hinweis auf eine geringere Erkrankungsprävalenz bei Mischlingen zeigte sich nur bei wenigen Erkrankungen wie bei Enteritis, Gastritis, Gastroenteritis, Pankreatitis, Pharyngitis, Stomatitis, Tonsillitis, Abszessen und Atheromen und hier auch nur im höheren Alter.

Bei anderen Erkrankungen wie Bandscheibenleiden, BOAS, Hüftgelenksdysplasie, Kreuzbandriss, Legg Calve Perthes Erkrankung, Panostitis, Patellaluxation, Distichiasis und Entropium, bei denen für Rassehunde eine höhere Erkrankungschance errechnet wurde, ließ sich diese mit einem höheren Anteil extremer Körperformen bei bestimmten Rassen erklären bzw. beruhte auf einer Auswahlverzerrung im vorliegenden Datenmaterial, die sich u.a. aus einer höheren Bereitsschaft zu kostspieligen tierärztlichen Interventionen bei den Besitzern von Rassehunden ergab.

 

Damit konnte eine grundsätzlich bessere Gesundheit bei Mischlingen gegenüber Rassehunden nicht bestätigt (Anmerkung: aber auch nicht ausgeschlossen) werden. 

 

In einer aktuelleren britischen Studie aus dem Jahre 2014 (von Dan G. O´Neill et. al) wurden Daten aus Patientenakten von 148.741 Hunden gesammelt, die in insgesamt 93 Kliniken in Mittel- und Südostengland behandelt wurden.  117.179 (78,9 %) der Hunde wurden als reinrassig klassifiziert. Die häufigsten Erkrankungen waren Otitis externa, Parodontalerkrankung und Analsackverengung; die häufigsten Erkrankungsgruppen waren enteropathische, dermatologische und muskuloskelettale Erkrankungen. Der Kopf-Hals-Bereich war die am häufigsten von den erfassten Erkrankungen betroffene Körperstelle, die Haut war das am häufigsten betroffene Organsystem, gefolgt von Störungen im Bereich des Verdauungstraktes. Entzündungen waren die am weitesten verbreitete pathophysiologische Prozesse.

 

Die Studie ergab (sogar) einige Hinweise darauf, dass reinrassige Hunde im Vergleich zu Mischlingen eine höhere Prävalenz (=Häufigkeit) von Erkrankungen aufwiesen. Diese Hypothese basiert auf Berichten und Studien, die zu dem Schluss kamen, dass das Wohlergehen reinrassiger Hunde durch zunehmende erbliche Gesundheitsprobleme, die durch Inzucht und Selektion auf extreme Körpermerkmale verursacht werden, erheblich beeinträchtigt wird. 

 

Nun sind Hinweise nicht unbedingt mit gesicherten Erkenntnissen gleich zu setzen und ein Manko der Studie ist, dass sie Hunde untersuchte, die sich bereits in ärztlicher Behandlung befanden. Auch kann bei einer solchen Studie das Umfeld der einzelnen Tiere keine Berücksichtigung finden, wissen wir doch alle, dass Aufzucht, Ernährung und Haltung einen wesentlichen Beitrag zur Gesunderhaltung eines Hundes beitragen. Trotzdem: die gewonnenen Erkenntnisse lassen den Mischling im Vergleich zum Rassehund jedenfalls nicht gerade schlecht aussehen!  

 

Nun ja, belassen wir es dabei: Nix genaues weiß man nicht! Allerdings, eins ist richtig: Ein Mischling kann im Grunde auch nicht gesünder als seine Eltern sein: Leiden Rüde und Hündin unter einer Patellaluxation, besteht eine große Wahrscheinlichkeit, dass auch die Welpen entsprechende Krankheitsanzeichen zeigen. Allerdings sagen die Studien auch nichts darüber aus, dass Mischlinge kränker als Rassehunde sind. 

 

Ganz aktuell ist übrigens eine britische Studie erschienen, die sich mit der Lebenserwartung unserer Haushunde beschäftigt. Neue Forschungsergebnisse des VetCompass-Programms des Royal Veterinary College (RVC) in Zusammenarbeit mit Forschern der National Taiwan University (NTU) in Taiwan, die das Sterbedatum von 30.563 per Zufall ausgewählte Hunde analisiert haben, ergaben u.a., dass die Lebenserwartung reinrassiger brachyzephaler Hunde wie Bulldogge oder Mops am geringsten war!

 

Der eigentliche Punkt auf den ich hinaus will ist aber: Im Rahmen einer Outcrosszucht geht es ja gerade NICHT um Mischlins"produktion" - wie so gerne aus der Reinrassezucht propagiert wird. Beim Outcross werden Hunde erst nach sorgfältiger, auch genetischer Untersuchung zu Zucht zugelassen! Und genetischen Untersuchungen orientieren sich an dem, was für die jeweilige Rasse rassetypisch und testbar ist! 

 

Lassen Sie sich also keinen Bären aufbinden oder alte Kamellen anhängen! Seien Sie wachsam und folgen Sie ihnen nicht: den Rattenfänger mit ihren kruden Thesen und Ideen! Unsere Retromöpse besitzen zwar sorgfältig ausgewählte Fremdrasse, sind aber das Produkt gesundheitsbewusster Zucht und somit begrifflich keine Mischlinge!

 

 

 

 

 

Quellen:

 

https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371%2Fjournal.pone.0090501 

 

Stromberger Karin: Genetisch-epidemiologische Untersuchungen ausgewählter Erkrankungen beim Hund – Vergleich Rassehunde – Mischlinge Dissertation am Institut für Tierzucht und Genetik der Vet. Univ. Wien.

 

http://www.animal-health-online.de/klein/2000/09/05/sind-mischlingshunde-wirklich-gesuender/319/

 

https://dogstodaymagazine.co.uk/2022/09/06/life-expectancy-by-breed-what-research-tells-us/?fbclid=IwAR2VKWpFillXkMaRA4G78EkfjqvhaDp2M6GKjE5aYwFb73wq5LyxMMw-Cjc

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