Chondrodystrophie - Oder: Schmerzen haben kurze Beine!

Was von vielen Menschen häufig verwechselt wird, ist die Frage, welche Terrierrassen beim ZG Retromops zur Einzucht erlaubt sind. Die Antwort lautet:  Es handelt sich hierbei ausschließlich um den Parson Russell sowie den einfarbigen Patterdale Terrier. 

 

Diese hochläufigen, sportlichen Hunderassen sind nicht mit dem kurzbeinigen Jack Russell Terrier zu verwechseln, auch wenn Parson Russell und Jack Russell gemeinsame Wurzeln besitzen. Der Jack Russell Terrier wurde tatsächlich in der kontrollierten Retromopszucht unserer Züchtergemeinschaft noch nie zur Rasseverbesserung eingesetzt. Zum einen wollen wir schon aus optischen Gründen keine "dackelbeinigen" Möpse, zum anderen gibt es auch noch einen anderen Grund dafür. Und dieser Grund heißt Chondrodystrophie, eine genetische Erkrankung, die mit einer stark erhöhten Anfälligkeit für Bandscheibenvorfälle (Hansen´s Type I intervertebral disc disease, IVDD) der Trägerhunde einhergeht. 

 

Doch zunächst etwas mehr Informationen zum genetischen Hintergrund: Ein auffälliges Merkmal vieler Hunderassen ist die Länge ihrer Gliedmaßen. Und wer kennt sie nicht, die auffallend niederläufigen Hunderassen wie Dackel, Basset, Pekingese, Corgi aber auch Französische Bulldogge und eben auch Jack Russell Terrier. 

 

Die kurzen Beine der verschiedenen Hunderassen sind tatsächlich eine genetisch bedingte Form der Kleinwüchsigkeit, die allerdings zum jeweiligen Rassestandard gehört und damit züchterisch gewollt ist. So sind es gerade die kurzen Beine, die beispielsweise die Baujagd mit niederläufigen Jagdhunden auf Fuchs und Kaninchen erst möglich machen.

 (Symbolfoto: Französische Bulldogge)

 

 

Nach derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnissen gibt es zwei genetisch bedingte Ursachen, die das Merkmal der Kurzbeinigkeit manifestieren, und zwar die sog. Chondrodysplasie und die sog. Chondrodystrophie.

 

Die Chondodysplasie ist eine sich autosomal-rezessiv vererbende Skelettdysplasie, die neben einer Kleinwüchsigkeit bei den betroffenen Hunden auch zu Wirbelsäulenveränderungen und Fehlstellungen der Gliedmaßen führen kann. Verursacht wird dieser Phänotypus durch den Fibroblasten-Wachstumsfaktor-4 (FGF4) auf dem Hundechromosom 18.

  

Für die Hundegesundheit dramatischer wird allerdings die sog. Chondrodystrophie erachtet. Dieser Phänotypus kurzbeiniger Hunde wird  durch eine Kopie von FGF4 auf dem Hundechromosom 12 verursacht. Die Mutation hat einen semi-dominanten Erbgang bezogen auf das Längenwachstum der Beine, d.h. Hunde mit zwei  Kopien der Mutation sind deutlich kurzbeiniger als Hunde, die nur eine Kopie der Mutation tragen; Letztere sind insoweit weniger auffällig, d.h. sie können durchaus kurzbeinig sein, fallen jedoch mit diesem Merkmal "weniger ins Auge"... Allerdings: die Veranlagung für die eingangs bereits erwähnte Degeneration der Bandscheiben  (Intervertebral Disc Disease, IVDD) wird autosomal dominant vererbt. Zur Ausprägung der Erkrankung genügt also, wenn nur ein Allel der  Mutation vererbt wird. Damit können also auch Hunde unter der Erkrankung leiden und sie weiter geben, die auf den ersten Blick gar nicht besonders kurzbeinig erscheinen. Anzeichen einer derartigen Bandscheibenproblematik sind Schmerzen in den  Bewegungsabläufen, neurologische Ausfälle bis hin zur kompletten Lähmung der hinteren Gliedmaßen. Den Begriff der "Dackellähme" haben sicherlich schon viele Hundeliebhaber gehört... 

 

Zusammenfassend kann man also festhalten, dass bei kurzbeinigen Hunden nach derzeitiger Erkenntnislage zwei verschiedene Orte im Genom bekannt sind, an denen man eine zusätzliche Kopie des FGF4-Gens finden kann: auf Chromosom 12 und auf Chromosom 18. Beide Mutationen sind aber auch nebeneinander möglich. Hunde, die ausschließlich eine FGF4-Kopie auf Chromosom 18, aber keine FGF4-Kopie auf Chromosom 12 besitzen, scheinen vom erhöhten IVDD-Typ1-Risiko nicht betroffen zu sein.

 

Es gibt mittlerweile die Möglichkeit durch einen Gentest festzustellen, ob eine durch für Chondrodystrophie verursachte Kurzbeinigkeit beim Hund vorliegt. Da in der kontrollierten Retromopszucht gerade nicht der kurzbeinige Jack Russell eingesetzt wird, ist ein solcher Gentest - bislang - nicht verbindlich vorgeschrieben. Er kann sich jedoch anbieten, wenn z.B. positiv bekannt ist, dass ein Elternteil eines ansonsten unauffälligen Registerhundes, den man in der Zucht einsetzen möchte, "verdächtig" kurze Beine hat. 

 

 

 

Quellen und weiter führende Links:

FGF4 retrogene on CFA12 is responsible for chondrodystrophy and intervertebral disc disease in dogs (https://www.gesunde-bulldoggen.de/files/IVDD_Uni_California.pdf)

Anregung und genaue Darstellung Unterschied CDDY/IVDD/CDPA Chromosom 12 und 18,  Bianca Schulte, 8. September 2020 (https://www.gesunde-bulldoggen.de/images/chondrodystrophie-Bianca-Schulte1.pdf)

 

  

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