Kreuzungsmodelle in der Tierzucht - Zuchtstrategien der ZG Retromops

In der Pferdezucht sind Einkreuzungsmodelle als sog. Veredlungskreuzung gang und gäbe. In der Viehzucht sieht es ähnlich aus; hier dienen rasseübergreifende Verpaarungen schon seit langem einer Intensivierung des erwünschten Ertrags, sei es Milch- oder Fleischgewinnung oder Legeleistung beim Federvieh. Ganze Dissertationen wurden zu dieser Thematik veröffentlicht, ganze Studiengänge beschäftigen sich mit verschiedenen Kreuzungsmodellen in der Viehzucht und ja, in vielen Fällen wurde die "Ertragssteigerung" wiederum ins tierquälerische Extrem getrieben, denke man an überdimensionierte Euter, die ihre armen Trägerinnen nur mit Mühe laufen lassen.

 

In der Hundezucht dagegen sind Outcrossmodelle ein absolutes "No-Go", obwohl gerade hier nach rund 130 Jahren Reinzucht bei vielen Hunderassen der Genpool derart verarmt ist, dass Krankheiten und genetische Deformationen immer rasanter zunehmen! 

 

Seit der Schließung der Zuchtbücher Ende des 19. Jahrhunderts sind unsere Hunderassen künstlich (!) geschlossene Populationen: nur Hunde einer Rasse dürfen noch untereinander verpaart werden; "Blutauffrischungen" durch den Einsatz anderer Rassen wurden untersagt, d.h. den Züchtern war es von nun an strikt verboten - was zur Leistungsverbesserung oder zur Steigerung der Vitalität durchaus bis dahin zulässig war - auf Hunde anderer Rassen zurückgreifen, anderenfalls sie ihre "Zuchtprodukte" nicht mehr unter dem Kunstbegriff der "Reinrassigkeit" verkaufen durften. In der Folge kommen seit Jahrzehnten keine neuen Erbinformationen zu einer Rasse mehr hinzu und im Gegenzug verkleinert sich der Genpool der als reinrassig registrierten Tiere unaufhaltsam; wertvolles Genmaterial geht über die Jahre zwangsläufig und unwiderruflich verloren: die Population wird reinerbiger was aber zur Folge hat, dass sich neben den erwünschen Rassemerkmalen mehr und mehr verborgene Defektgene verbreiten. Unvermeidbar steigt damit auch das Risiko, dass sich gleiche Defektgenpaare zusammenfinden. Zum näheren Verständnis dieser komplexen Materie verweise ich an dieser Stelle auf den Abschnitt "Mops/Genetik".- Obwohl diese Erkenntnisse dank moderner Genforschung heutzutage feststehen, wird in der Hundezucht eisern - ja mit einem in keiner Weise erklärbaren Stolz - an den überholten und antiquierten Vorgaben des viktorianischen Englands festgehalten! 

 

Worin liegt die Ursache dieser völlig unterschiedlichen Bewertung und Handhabung nahezu gleicher Vorgänge? - Nach mehr als 13 Jahren intensiver Befassung mit der Materie "Zucht" bin ich für mich zu den Ergebnis gekommen, dass die unterschiedlichen Bewertung schlicht und einfach darin begründet ist, dass in der Hundezucht vorwiegend Laien vertreten sind, die sich zwar durchaus ein profundes Wissen zum Thema Welpenaufzucht, -fütterung und dergleichen angeeignet haben mögen, aber ansonsten über unzureichendes genetisches Wissen verfügen. Während der heutige Landwirt ein Studium der Agrarwissenschaft vorzuweisen hat, bei dem Genetik eine nicht unerhebliche Rolle spielt, gibt es für den Hundezüchter keine entsprechende Ausbildung... In der Pferdezucht gibt es den Ausbildungsberuf Pferdewirt, Schwerpunkt Zucht und Haltung. Auch hier wir umfangreiches genetisches Wissen vermittelt. Für den Hundezüchter gibt es - je nach Zuchtverband - allenfalls einen Wochenendlehrgang, und der ist in der Regel noch nicht einmal obligatorisch.

 

Und hinter die Kulissen der großen Hundezuchtverbände - allen voran des VdH - geschaut: es wird ja vielfach auch  ausdrücklich damit geworben, dass die angeschlossenen Züchtermitglieder lediglich Hobbyzüchter und damit keine gewerblichen Züchter sind, also die Hundezucht nicht beruflich zum Zwecke des Gelderwerbs betreiben dürfen. Und  wo es keinen "Beruf" des Hundezüchters gibt, kann es auch keine (Berufs)Ausbildung hierzu geben.... D.h., der durchschnittliche Hundezüchter hat sich sein Wissen zum Thema freiwillig und mehr oder weniger erfolgreich in seiner Freizeit angeeignet....

 

Das hinter dem Verbot der gewerblichen Zucht stehende Motiv ist dabei durchaus nachvollziehbar und tatsächlich auch nicht ganz von der Hand zu weisen: Es wird unterstellt, dass derjenige der seine Hundezucht in der Freizeit betreibt, anderweitig finanziell abgesichert und deswegen nicht auf das Geld aus dem Verkauf seiner Welpen angewiesen ist. Denn wer von der Hundezucht lebt - leben muss - wird - so die Idee dahinter - zwangsläufig gewinnorientiert arbeiten müssen, was zu Lasten der Qualität der "Zuchtprodukte" aber auch zu Lasten einer guten Aufzucht gehen kann. Wer nimmt schon eine zwar zuchttaugliche aber nicht wirklich gut vererbende Hündin vorzeitig aus der Zucht, wenn man mit ihr noch drei Würfe mit geschätzten 20 gut verkäuflichen Welpen machen kann, wo doch gerade der PKW seinen Geist aufgegeben hat? Wer kauft schon hochwertiges Welpenspielzeug und teure Welpenunterlagen, wenn es ein ausrangierter Pappkarton und altes Zeitungspapier vermeintlich den gleichen Zweck erfüllen? Nur dem Idealisten - also dem Hobbyzüchter - traut man hier das richtige Augenmaß zu... Dass auch diese Einschätzung mitunter nur eine theoretische ist, sei hier lediglich am Rande erwähnt.

 

Damit ist der durchschnittliche Hundezüchter eben aber auch Zuchtlaie, was sein Wissen über Genetik angeht. So ist es auch nur mit dem fehlenden Wissen über Genetik zu erklären, dass selbst langjährige Hundezüchter immer noch das Märchen von dem "verdorbenen" Charakter und dem angeblich nicht mehr zu regulierenden Verhalten bei Einzucht einer Fremdrasse propagieren. Und obwohl Genetik wie auch Mathematik, Physik oder Chemie eine Naturwissenschaft mit festen Gesetzmäßigkeiten und Regeln ist, haben viele Diskussionen mit Hundezüchtern über die Thematik die Qualität eines Glaubenskrieges: "4 plus 4 macht in der Summe 8? - Niemals, DAS glaube ich nicht! DAS lasse ICH mir nicht erzählen!"   

Innerhalb dieser Diskussion wird dabei von den die wissenschaftlichen Fakten negierenden Züchtern völlig verkannt, dass ihre Argumentation - so sie denn zutreffen würde - die gesamte Tierzucht und ihre Ergebnisse ad absurdum führen würde. Denn das züchterische Schaffen einzelner Rassen in unterschiedlicher Gestalt und mit unterschiedlichen Eigenschaften und Verhaltensweisen wäre nach der von ihnen verbreiteten Logik gar nicht möglich gewesen. Neue und ganz junge Rassen wie den Kromfohrländer, den Eurasier, den Cane Corso, den Elo, den Prager Rattler oder den Continental Bulldog - teilweise bereits FCI anerkannt - "dürfte" es gar nicht geben.

 

Vielleicht begründet sich dieser züchterische Aberglaube aber auch in dem Umstand, dass die charakterlichen

Eigenschaften bzw. das Verhalten eines Lebewesens - anders als seine körperliche Gestalt - optisch zunächst einmal nicht erkennbar sind. Und möglicherweise geht der durchschnittliche Hundezüchter davon aus, dass vordergründig nicht sichtbare Merkmale züchterisch nicht beeinflussbar sind, sich "irgentwie weiter vererben um dann ganz plötzlich mit Vehemenz zu Tage zu treten" und dem Züchter damit quasi "entgleiten"... Um diesem bar jeder wissenschaftlichen Erkenntnisse sorgsam gepflegtem Aberglauben entgegen zu treten, lohnt es sich an dieser Stelle ein Blick auf die Frage, wie sich das Verhalten von Lebewesen vererbt.

 

In der Verhaltensforschung weiß man, dass sich das Verhalten eines Individuums an drei Parametern orientiert: dem ererbten Verhaltensrepertoire, dem bislang Erlernten und der konkreten Situation, in der sich das Lebewesen befindet. Damit ist es zunächst einmal völlig unstrittig, dass die Elterngeneration einer Spezies nicht nur Äußerlichkeiten sondern auch bestimmte charakterliche Eigenschaften und Verhaltensweisen an ihre Nachkommen weiter gibt. Man spricht hier von einer genetischen Disposition von Verhaltensweisen. Bei dem ererbten Verhalten unterscheidet man wiederum zwischen artspezifischem Verhalten, rassetypischem Verhalten und individuellem Verhalten. 

 

Artspezifisches Verhalten ist das Verhaltensrepertoire, das die jeweilige Tierart quasi in die Wiege gelegt bekommt. Darunter fällt in erster Linie instinktives Verhalten, also beispielsweise der Fluchtinstinkt beim Pferd oder beim Kaninchen. Aber auch das  Brutpflegeverhalten, das Nestbauverhalten oder das Paarungsverhalten sind artspezifisch und damit außerordentlich stabile Elemente, die stets von der Parentalgeneration weiter gegeben werden. So ist es beispielsweise im Bereich der Pferdezucht nie gelungen, den Fluchtinstinkt der Tiere, der insbesondere in einer zunehmend technisierten Welt außerordentlich gefährlich sein kann, gänzlich zu eliminieren. Artspezifisches Verhalten vererbt sich also sehr stabil. Mit anderen Worten: ein Hund wird sich rasseunabhängig grundsätzlich immer so verhalten, wie es die Art "Hund" vorsieht und nicht, wie sich beispielsweise die Art "Kaninchen" verhält.

 

Wie sieht es nun innerhalb einer Tierart mit dem rassetypischen Verhalten aus?

 

Die einzelnen Hunderassen wurden vom Menschen insbesondere durch Selektion aus der Art "Hund" geschaffen, um bestimmte Aufgaben (Hüten, Jagen, Aufstöbern, Wachen, u.a.) erfüllen zu können. Damit sind die einzelnen Hunderassen deutlich jünger als die Art selbst. Rassetypisches Verhalten vererbt sich als recht "junges" genetisches Merkmal deutlich instabiler als arttypisches Verhalten. Züchterisch speziell zu pflegende Merkmale wie eine ausgeprägte Jagdpassion - eine Eigenschaft, die Zuchtlaien z.B. bei der Einkreuzung des Parson Russell Terriers zu unrecht fürchten - sind schon in der ersten Nachzuchtgeneration weitgehend verblasst.

 

Nach Malcolm B. Willis ("Genetik der Hundezucht") sind Spezial-veranlagungen - und darunter fällt eben auch die ausgeprägte Jagdpassion - rasseabhängig nur zwischen 10 und 30 % vererbbar. Die von Willis angesprochene Spezialisierung innerhalb einzelner Rassen ist damit so instabil, dass sie nur erhalten bleibt, wenn sie ständigem Selektionsdruck durch die Züchter unterliegt. Ändern sich nun die Selektionskriterien in der Zucht (vgl. z.B. die sog. Leistungs- mit der Showzucht), ist eine zuvor "herausgezüchtete" Spezialisierung schnell dahin. Damit kann andererseits rassetypisches Verhalten langfristig nur erhalten bleiben, wenn in der Zucht kontinuierlich auf eben dieses rassetypischen Merkmal hin selektiert wird.

Populatonsgenetisch ist dies durch eine höhere Homozygotie für bestimmte Merkmale innerhalb der Rasse im Vergleich zu Hunden einer anderen Rasse erklärbar.   

Und trotz dieser Fakten bleibt im Bereich der Hundezucht das "Sakrileg" des Outcross bestehen und hält sich wie das Märchen von der Zahnfee...  

 

Was ist aber überhaupt unter dem Begriff der Rasse zu verstehen? 

 

Laut Wikipedia ist unter dem Rassebegriff die Bezeichnung für eine Gruppe von Individuen der gleichen Art, die anhand willkürlich gewählter Ähnlichkeiten des Phänotyps (Aussehen, physiologische Merkmale, Verhalten) klassifiziert werden, zu verstehen. 

 

Im Focus der Zucht stehen also die Eigenschaften, die eine Rasse zu dem machen, was sie ist und nicht ihre "Reinheit": bestimmte Wesens-merkmale und "Talente" wie z.B. der Hütetrieb und bestimmte optische Besonderheiten. Das zeigt aber auch, dass dem Begriff der "Reinrassigkeit" in der Hundezucht tatsächlich ein völlig überzogenes Werturteil zukommt!

 

Doch zurück zur Vererbungslehre und hier zu dem Begriff der Heritabilität. Den Anteil der Erbanlagen an der Ausprägung eines Merkmales oder einer Veranlagung nennt man Heritabilität.  Heritabilität und Umwelteinflüsse ergeben zusammen immer ein Ganzes - also 100%  Bei einem Heritabilitätskoeffizienten von 60% wird also gut die Hälfte der die Eigenschaft bestimmenden Faktoren von den Genen manifestiert und der Rest, demnach 40%, von der Umwelt. Das bedeutet aber auch, dass ich Eigenschaften durch optimale Umweltbedingungen verbessern und durch negative Umweltbedingungen verschlechtern kann. 

 

Hierzu ein Beispiel: Welpen legen bei der Entdeckung ihrer Umwelt durchaus eine vorsichtige Herangehensweise an den Tag. Dies ist auch gewünscht, denn ein Welpe der sich quasi blind in jede Gefahren-situation hereinstürzt, setzt sich Verletzungen oder Schlimmerem aus. Andererseits ist ein übermäßig ängstliches Verhalten in der Zucht nicht erwünscht. Ein Welpe, der aufgrund genetischer Disposition deutlich ängstlich veranlagt ist, kann aber durch eine sehr gute Sozialisation seitens des Züchters trotzdem ein zuverlässiger Begleiter werden. So zunächst die neutrale Herangehensweise an die Situation. 

 

Jeder gute Züchter würde auch entsprechend dem vorgenannten Beispiel handeln und individuell ein besonders förderndes "Sozialisierungsprogramm" für den betroffenen Welpen ausarbeiten.  Allerdings gebietet verantwortungsvolle und nachhaltige Zucht an dieser Stelle weitaus mehr: da das gezeigte geerbte und damit auch wieder weiter vererbbare Verhalten nicht erwünscht ist, bedarf es konkreter züchterischer  Überlegungen und Konsequenzen um eine Manifestierung des Merkmals "übergroße Ängstlichkeit" in der Zucht zu vermeiden.

 

Damit kann festgehalten werden: Die Voraussetzung für eine gezielte Zucht ist es, genetische Unterschiede zwischen einzelnen Individuen zu erkennen und anschließend züchterisch zu fördern oder zu eliminieren, was bei rassespezifischen Verhaltensweisen, z.B. dem Jagdverhalten, sehr gut umzusetzen ist. Ein Jagdverhalten ist eben leicht erkennbar.  

 

Zusammenfassend lässt sich also zur Heritabilität von rassespezifischen Verhaltensweisen festhalten:

 

1. Bei fehlendem Selektionsdruck verschwinden rassespezifische Spezialisierungen wie eine ausgeprägte Jagdpassion aufgrund ihrer Instabilität mit den Generationen bereits von allein.

 

2. Wird der Züchter sogar aktiv und eliminiert bestimmte rassetypische Verhaltensweisen oder ihre Überbleibsel in dem er negative Selektion betreibt, also Hunde, die beispielsweise noch Ansätze eines Jagdverhaltens zeigen, nicht in die Zucht nimmt, gelingt dies noch schneller und effizienter.

 

3. Verpaart er sogar - wie es die Züchtergemeinschaft für den Retromops tut - über die Rassegrenze hinaus mit einer Rasse wie dem Mops, die rassespezifisch keine Jagdpassion zeigt, ist ein unerwünschtes Jagdverhalten in kürzester Zeit Geschichte!

 

 

Was aber erhalten bleibt, ist das stabile Artverhalten. So wird jeder gesunde, junge Hund - vom Mops bis zum Schäferhund - ein Interesse an bewegten Objekten zeigen und geworfenen Bällchen, Nachbars Katze oder oder auch weglaufenden Kindern gerne und begeistert hinterher rennen. Ein solches Verhalten ist jedoch nicht mit einer Jagdpassion gleich zu setzen und erzieherisch gut zu beeinflussen!

 

Zurück zum Thema Outcross: Natürlich weist eine sog. F1 Kreuzung, die genetisches Material der Elterngeneration zu gleichen Teilen, nämlich zu 50%, besitzt, abgeschwächte Wesensmerkmale beider Rassen auf. Aber Zucht ist ja ein Weg und eine Rückzucht ist bei der F1 Generation noch lange nicht zu Ende... Wie soll aber ein Hund wie unser ZG Retromops, der im Ergebnis vielleicht noch 6% oder sogar nur noch 3% einer Fremdrasse in seinen Genen aufweist, charakterlich ein Terrier sein? Das ist doch selbst bei gänzlich fehlendem genetischen Verständnis von der Heritabilität von Verhaltensweisen gar nicht plausibel!

 

Um die Abstrusität derartiger Gedankengänge zu verdeutlichen, möchte ich ein relativ aktuelles Beispiel aus der Genforschung benennen: Die von Forschern im Jahre 2010 veröffentlichte DNA-Sequenz des Neandertalers zeigt, dass nicht-afrikanische Populationen des heutigen Menschen genetische Gemeinsamkeiten mit dem Neandertaler aufweisen. Dies sei, so die Wissenschaftler, durch einen Genfluss vom Neandertaler zum zum Homo Sapiens, dem modernen Menschen der Neuzeit, zu erklären. Immerhin bis zu 4 % der DNA der Europäer und der Asiaten stimme mit der DNA der Neandertaler überein.

 

Damit trägt der durchschnittliche Mitteleuropäer mehr Genmaterial des Neandertalers mit sich herum als eine F5 Generation unserer ZG Retromöpse Gene des Terriers oder des Pinschers besitzt! Und dabei bitte ich zu berücksichtigen, dass der Neandertaler und der Homo Sapiens in der Entwicklungsgeschichte - nicht zuletzt auch was die Gehirnleistung angeht - Lichtjahre von einander entfernt sind! Etwas, was man bei einem Vergleich zwischen Mops und Terrier ganz und gar nicht sagen kann: beide weisen - in unterschiedlicher Ausprägung - "moderne" hundliche Verhaltensweisen auf!  

 

Glücklicherweise gibt es sie vereinzelt: die Züchter, die allen Widerständen zum Trotz auf der Grundlage von Wissenschaft und Forschung versuchen "ihre" Rasse zu retten! Ein Beispiel hierfür ist der LUA Dalmatiner. 

 

Der Dalmatiner leidet unter einer Mutation des Gens SLC2A9 was zu einer massiv erhöhten Harnsäurekonzentration in der Blase mit der Gefahr der Harnsteinbildung führt. Im schlimmsten Fall kann dieses als Hyperurikämie bezeichnete Krankheitsbild zum Verschluss der Harnröhre führen. Allerdings: da diese rassetypische Erkrankung genetisch bedingt ist und das verantwortliche Gen auch identifiziert wurde, kann sie züchterisch beeinflusst werden. So verpaarte Dr. Robert Schaible (USA) im Jahre 1973 eine Dalmatinerhündin mit einem Pointer Rüden, der die Fähigkeit zur Bildung des im Gegensatz zur Harnsäure leicht abbaubaren Allantoin auf die Welpen vererbte. Die Nachkommen aus dieser Verpaarung wurden dann wieder mit Dalmatinern verpaart. Bereits nach wenigen Jahren und nur fünf (!) Generationen erhielt Dr. Schaible wieder einen sowohl optisch wie charakterlich „echten" Dalmatiner, aber ohne das Krankheitsbild der Hyperurikämie. Seine Zuchtprodukte, die sogenannten LUA (Low Uric Acid) Dalmatiner sind mittlerweile in USA, England, Frankreich, Deutschland und weiteren Ländern wieder als als reinrassig anerkannt und erhalten FCI-Papiere. - Interessanterweise spricht hier niemand mehr von einem "verdorbenen" Charakter dieser Tiere....

 

Ein Beispiel, bei dem es ebenfalls um die züchterische Manifestation eines einzigen genetischen Merkmals in der Zucht ging,  ist die von dem britischen Boxerzüchter Bruce Cattanach durchgeführte Kreuzung seiner Boxer mit dem stummelschwänzigen Pembroke Welsh Corgi. Ziel dieser Kreuzung war allerdings nicht eine gesundheitliche Verbesserung zu erreichen, sondern das Gens für angeborene Schwanzlosigkeit in der Rasse zu etablieren. Bruce Cattanach, der nicht nur Züchter sondern auch Genetiker war, wollte damit das Kupierverbot umgehen: Ein  "von Natur aus" nahezu rutenloser Boxer würde dem altbekannten Rassebild weiterhin entsprechen, ohne dass sein Züchter gegen das Gesetz handelte...

 

Auch wenn das Ergebnis aus meiner Sicht eher fragwürdig ist: Cattanach war züchterisch erfolgreich und konnte nach kürzester Zeit den unkupierten Boxer mit Stummelrute ("Bobtail Boxer") vorweisen, und das, obwohl die Rassen Boxer und Pembroke Welsh Corgi rein optisch kaum unterschiedlicher sein konnten: der Corgi mit einer Schulterhöhe von lediglich 25 - 30 cm, extrem kurzen "Dackelbeinen" und einem Fuchsgesicht mit spitz zulaufender Schnauze und großen Stehohren und andererseits der kräftige, stumpfschnauzige Boxer, ein Molosser mit einer Schulterhöhe um die 60 cm...

 

Es gibt also durchaus unterschiedliche Gründe, warum sich ein Züchter oder ein Zuchtverband dafür entscheiden kann, den Weg des Outcross zu beschreiten!

 

So war es letztlich auch beim ZG Retromops, der nie eine neue Rasse sondern immer ein "echter" Mops allerdings ohne Übertypisierung und extreme Merkmalsausprägung sein sollte:  Die gravierendste aller gesundheitlicher Beeinträchtigung des Mopses besteht in seiner Rundköpfigkeit, die zum brachycephalen Atemnotsyndrom (BAS) führen kann. Dieser nicht nur in Züchterkreisen bestens bekannten Problematik galt es seinerzeit effektiv und vor allem zeitnah zu begegnen und der hier gangbare Weg war und ist eine Outcrosszucht. Anders kann man keine "langen" Schnauzen mehr hervorbringen, denn genetische Merkmale, die über Jahrzehnte aussortiert wurden, wachsen in einer geschlossenen Population nun einmal nicht mehr nach... Auch das ist Wissenschaft!

 

Nun gibt es grundsätzlich verschiedene Wege eine Outcrosszucht in einem Zuchtprogramm zu etablieren. Welchen Weg man beschreitet, hängt vom Zuchtziel ab. Liegt der Focus bei nur ein oder zwei Merkmalen - also z.B. in der Milchviehzucht bei einer höhen Milchleistung oder in der Schweinezucht bei großen Würfen und magerem Fleisch - wird man andere Strategien wählen, als in der Hundezucht, bei der man vielleicht ein oder zwei Merkmale positiv fördern möchte, aber darüber hinaus das "Gesamtbild" nicht aus den Augen verlieren darf. 

Genauer: In der Viehzucht können bestimmte Merkmale völlig vernachlässigt werden: Wichtig ist z.B. bei der Schweinezucht, dass das "Zuchtprodukt" optimal verwertbar ist, also schnell wächst und damit günstig qualitätsvolles Fleisch liefert. Ob das so produzierte Tier einen gesunden, lang haltbaren Bewegungsapparat hat oder gar bestimmte charakterliche Vorzüge wie Menschenfreundlichkeit o.ä. besitzt, ist dagegen völlig irrelevant. - Dass hierbei mitunter ethische Grenzen überschritten werden, steht auf einem anderen Blatt....

 

Um bei unseren ZG Retromöpsen zu bleiben: Hier ging es darum, eine längere Schnauzenpartie, die mehr Platz für den inneren Atmungsapparat lässt, züchterisch zu rekonstruieren. Weitere Baustellen des "rassereinen" Mopses sind schlecht eingelagerte, verletzungsgefährdete Augen, zu enge Gehörgänge aber auch ein zu schlaffes Bindegewebe und eine unzureichende Muskulatur. Diesen Mankos sollte in der Retromopszucht entgegen gewirkt werden. Und noch ein zweites Problem galt es anzugehen: der Mops gehört mit zu den genetisch ärmsten Hunderassen mit den bekannten negativen Folgen im Hinblick auf Gesundheit und Vitalität; auch hier sollt durch die Immigration rassefremder Gene Abhilfe geschaffen werden. Allerdings: Die Vorzüge der Rasse, die im wesentlichen in seinem freundlichen Charakter mit einer hohen Reizschwelle liegen, sollten bewahrt werden. Zudem sollten die  Hunde optisch weiterhin als Möpse erkennbar aber ohne Qualzuchtmerkmale sein.

 

Es sind und waren also beim ZG Retromops eine ganze Reihe von Merkmalen, die im Rahmen des Outcross eine Berücksichtigung finden mussten und diese Merkmale mussten vor Beginn der Zucht genau definiert werden, anderenfalls man sein Ziel schnell aus den Augen verliert....  Dementsprechend wurde zu Beginn der Zuchtarbeiten ein Standard erarbeitet und festgelegt. Dabei haben sich die Züchter unserer Züchtergemeinschaft zunächst weitestgehend mit der Kreuzung zweier Rassen, nämlich des Mops und des Parson Russell beschäftigt, wobei man seinerzeit noch auf dem Rassmo aufgebaut hat. 

Eine Kreuzung zwischen zwei Rassen weist eine optimale Heterosis auf, insbesondere wenn beide Rassen genetisch sehr unterschiedlich sind. An dieser Stelle erklärt sich auch die Rasseauswahl, die unsere Züchtergemeinschaft unter anderem mit dem Parson Russell (aber auch mit den anderen zur Einzucht erlaubten Rassen, wie z.B. später mit dem einfarbigen Bruder des Parson, dem Patterdale Terrier) getroffen hat.

 

Der Parson Russell weist alle die körperlichen Merkmale in funktionaler Perfektion auf, die beim Standardmops Mängel behaftet sind: Eine gut ausgeprägte Schnauzenpartie mit weit offenen Nasenlöchern, gut eingelagerte Augen, eine exzellente Muskulatur, festes Bindegewebe bei optimaler Winkelung der Hinterhand und so fort... Als Jagdhund musste der Parson Russell eben Leistung erbringen und körperlich fit sein - anders als der Mops, der nur noch das Kindchenschema zu bedienen hatte. Züchterisch speziell zu pflegende Merkmale wie eine ausgeprägte Jagdpassion sind - wie bereits erläutert - schnell eliminiert, wenn das Jagdverhalten innerhalb der Zucht kein Selektionskriterium mehr darstellt. 

 

Doch zurück zum oben genannten Heterosis-Effekt. Heterosis bezeichnet in der Genetik die besonders ausgeprägte Leistungsfähigkeit von Hybriden (Mischlingen). Von einem Heterosis-Effekt wird gesprochen, wenn die beobachtete Fitness, Gesundheit, Vitalität, Lebenserwartung und Leistung der ersten Filialgeneration (F1) höher ist als die entsprechenden Merkmale bei den Ausgangsrassen, der sogenannten Parentalgeneration. 

 

Die bekannte österreichische Genetikerin Prof. Dr. Irene Sommerfeld-Stur schreibt dazu: "Im Bereich der Heterosis kommt besondere Bedeutung den Genen des MHC zu. MHC steht für Major Histocompatiblity Complex und damit ist jener Genkomplex gemeint, der vor allem für eine problemlose Funktion des Immunapparates verantwortlich ist. Studien aus der jüngsten Zeit weisen darauf hin, dass es Assoziationen zwischen Heterozygotie in Genen des MHC und der Anfälligkeit gegen verschiedene Autoimmunkrankheiten gibt. Die Grundlage von Autoimmunkrankheiten ist eine Fehlfunktion des Immunapparates, die dazu führt, dass diejenigen Mechanismen die für die Abwehr von Krankheitserregern zuständig sind, sich gegen Zellen des eigenen Körpers richten und diese zerstören. Eine ganze Reihe von Erkrankungen, die auch in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen haben sind die Folge solcher Autoimmunen Reaktionen. So zählen z.B. Schilddrüsenunterfunktion, Diabetes, Morbus Addison oder Hautkrankheiten wie SLE oder Pemphigus zu den Autoimmunkrankheiten. Neuere Studien zeigen z.B. beim Nova Scotia Duck Tolling Retriever einen Zusammenhang zwischen Homozygotie in MHC Genen und einer Immunbedingten Rheumatoiden Erkrankung (Wilbe et al. 2009) oder beim Deutschen Schäferhund klare Assoziationen zwischen Homozygotie in Genen des MHC und einer autoimmunbedingten Entzündung der Hornhaut (Jokinen et al., 2010)." 

 

Der Heterosiseffekt ist im Übrigen auch durch Studien aus dem Bereich der Viehzucht wissenschaftlich belegt.

 

Heterosis liegt also vor, wenn Kreuzungsnachkommen in Bezug auf Leistung, Krankheitsresistenz, Anpassungsfähigkeit und Vitalität positiv vom Mittel der Elternpopulationen abweichen. Demgemäß wird Heterosis auch als Gegenteil der Inzuchtdepression bezeichnet (Baumung, 2005). 

 

Allerdings ist Heterosis selbst nicht vererbbar, das heißt, in den nachfolgenden Generationen (F2, F3, F4....) nimmt sie immer weiter ab. Vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar und auch populationsgenetisch sinnvoll, in Abständen immer wieder neue Kreuzungsprodukte in die Rassehundezucht mit einzubringen. 

 

So geschieht es aktuell auch in unserer Züchtergemeinschaft: Mit meiner Rita (F1 Be) - links im Bild - habe ich aktuell eine F1 Generation mit in unsere Zucht gebracht, die nicht nur rassefremde Gene, nämlich die des Beagle, einbringt und damit die genetische Diversität innerhalb meiner Zucht und zugleich innerhalb unserer Züchtergemeinschaft insgesamt erhöhen wird, sondern darüber hinaus auch das Merkmal der Heterosis in ihrer Nachkommenschaft stärken wird.

 

Für unsere Züchtergemeinschaft bedeutet Rita aber auch, dass wir nunmehr ein Outcross mit bis zu vier Fremdrassen - nämlich Parson Russell, Patterdale, Pinscher und Beagle - zeitgleich durchführen können (der Patterdale Terrier wird voraussichtlich Ende 2020 mit zwei Exemplaren einer F2 Generation unseren Züchterkreis bereichern).

 

Auch an dieser Stelle sei jedoch der Hinweis erlaubt, dass die Frage, welche Fremdrasse eingekreuzt wird, wohl überlegt sein muss. Zwar gibt es keine Hunderasse, die nicht über irgendwelche gesundheitlichen Mankos verfügt, aber etliche Rassen sind mit derart massiven genetisch bedingten Gesundheitsproblemen belastet, dass sie mehr schaden als nutzen würde.

Beispielhaft sei hier die Syringomyelie beim Cavalier King Charles genannt, welche nahezu die gesamte Rasse durchsetzt.

  

Es ist also festzuhalten:

Der physiologische Status eines Individuums - also seine Leistungsfähigkeit, seine Vitalität, seine Gesundheit und seine Robustheit - hängt  ganz entscheidend von seiner genetischen Varianz ab. Dagegen äußert sich eine Inzuchtdepression durch Krankheitsanfälligkeit und verminderter Fruchtbarkeit. Eine Kreuzungszucht löscht also die Nachteile der Inzucht wieder aus, in dem sie die genetische Varianz erhöht.  

 

Nun zu der Frage, wie ein Outcross mit drei Rassen aussehen würde. 

In der Viehzucht erfolgen Kreuzungen mit drei Rassen in der Regel dergestalt, dass zunächst Rasse A mit Rasse B gekreuzt wird. Der Nachwuchs AB (F1-Generation) wird dann mit der Rasse C gekreuzt und daraus entstammt dann der Nachwuchs ABC. Welpen aus dieser Generation (F2) haben dann 50% Gene der Rasse C und 25% Gene der Rassen A und B.

 

Bei einer Kreuzungszucht mit drei Rassen profitiert der ABC-Nachwuchs (F2) optimal vom Heterosiseffekt. Allerdings: Was sich in der Viehzucht bewährt hat, ist nicht ohne Weiteres eins zu eins auf die Rassehundezucht übertragbar. Denn: Sind es in der Viehzucht nur einige wenige Merkmale, die man züchterisch fördern möchte, ist es bei der Hundezucht ein durch den Standard festgelegtes Gesamtbild, das man bewahren und nicht aus den Augen verlieren darf.

 

Ersetzte man also bei dem aufgeführten Beispiel die Rasse A mit "Mops", die Rasse B mit "Pinscher" und die Rasse C mit "Parson Russell", hätte man in der F2 Generation zwar Gene aller Rassen mit den bekannten positiven Folgen der Heterosis vertreten, allerdings letztlich Welpen mit nur 25 % Mopsanteil, die weder Äußerlich noch von ihrem Wesen her Möpse wären.... D.h., die F2 Generation wäre weiter vom erstrebten Rassebild entfernt, als die F1 Generation mit immerhin noch 50 % Mopsanteil. Damit gäbe es an dieser Stelle überhaupt keinen züchterischen Fortschritt, da das Zuchtziel unserer Züchtergemeinschaft bekanntermaßen der Mops - allerdings in einer gesundeten und gemäßigten Form ohne Qualzuchtmerkmale ist. 

 

Mit dem Mops, dem Parson Russell, dem Beagle und dem Pinscher ist nach der Zuchtordnung der ZG Retromops auch ein Outcross mit vier Hunderassen möglich, die in der Viehzucht grundsätzlich wie folgt aussähe: Zunächst erfolgt eine Kreuzung der Rassen A und B was in der F1 Generation die Nachkommen AB mit je 50% der Gene der Parentalgeneration ergibt. Daneben wird die Rasse C mit der Rasse D gekreuzt, was in der F1 Generation Nachkommen CD mit ebenfalls je 50% der Gene der Elterntiere ergibt. Anschließend werden Tiere der jeweiligen F1 Generation AB und CD miteinander gekreuzt, was zu Nachkommen ABCD führt. Die Zuchtprodukte ABCD besitzen dann jeweils 25% der Gene der Elterntiere A, B, C und D und damit zu gleichen Teilen Gene aller in diesem Outcrossmodell verwendeten Rassen, was auch hier zu einer optimalen Heterosis führt. In der Viehzucht wird dieses Kreuzungsmodell gerne gewählt um gewünschte Eigenschaften zu kombinieren und zu verstärken.

 

Aber auch hier wird deutlich, dass  der Mops in der F2 Generation mit nur 25% "Genmaterial" eigentlich zu wenig vertreten ist um die Rasse weiter repräsentieren zu können. Und die Zulassung einer fünften Rasse, die mit dem Patterdale Terrier seit 2020 in unserer Züchtergemeinschaft möglich ist, macht die Thematik noch komplexer...

 

Trotzdem lohnt es sich auch für Hundezüchter, sich mit den Zuchtmodellen der Viehzucht zu beschäftigen um Vor- und Nachteile der einzelnen Kreuzungsmodelle gegeneinander abwägen zu können und um daraus Lehren für einen eigenen Zuchtweg zu ziehen. Denn wenn man sich mit den einzelnen Kreuzungsmodellen genauer beschäftigt, kann man erkennen, was sie leisten können und was sie nicht zu leisten vermögen. Man kann vergleichen, gegenüberstellen und entscheiden und damit wird man in die Lage versetzt, ein eigenes Zuchtkonzept zu entwickeln.... 

 

Deswegen möchte ich an dieser Stelle noch ein paar Worte zur Rotationskreuzung verlieren. Bei der Rotationskreuzung wird nach einem festen Schema und zeitlich nacheinander eine bestimmte Anzahl von Rassen miteinander verpaart, um die Zuchtprodukte anschließend wieder zur Zucht zu verwenden. Dabei werden üblicherweise Zwei- und Drei-Rassen-Rotationskreuzungen durchgeführt.

 

Bei einer Rotationskreuzung zwischen zwei Rassen, die vornehmlich in der Rinderzucht zu finden ist, wird die Rasse A mit der Rasse B gekreuzt, aus der die Nachkommen AB hervorgehen. Dieser Nachwuchs wird dann wieder mit der Rasse A verpaart; die daraus resultierenden Nachkommen erneut mit der Rasse B und so im Wechsel fort... Bei einer Rotationszucht über etliche Generationen erreicht der Prozentsatz der Gene der Eltern ein Gleichgewicht: Er stabilisiert sich bei 35 % bzw. 65% der beiden zur Zucht verwendeten Rassen, wobei 65% der Gene vom aktuellen Elternteil stammen. Die Heterosis stabilisiert sich ebenfalls, bei etwa 67% der Heterosis, die man bei einer Kreuzung zwischen zwei Rassen erhalten würde.

 

Eine Rotationskreuzung mit drei Rassen, ebenfalls typisch in der Rinderzucht, funktioniert ähnlich wie die oben beschriebene Rotation mit zwei Rassen: Rasse A wird zunächst mit Rasse B gekreuzt. Die Nachkommen AB werden anschließend mit Rasse C gekreuzt, was Nachkommen ABC (25%, 25%, 50%) ergibt. Der Nachwuchs dieser Drei-Rassen-Kreuzung ABC wird danach wieder mit Tieren der Rasse A verpaart und so weiter. Die Zuchtprodukte einer Rotationskreuzung weisen deutlich bessere Gebrauchseigenschaften auf als die Elterntiere der einzelnen reinen Ursprungsrassen.  Der Heterosiseffekt stabilisiert sich hier bei ungefähr 85%. Der Phänotyp dieser Tiere wird deutlich einheitlicher, als bei einer Rotationskreuzung mit nur zwei Rassen. 

 

Aber: Bei dieser Art des Outcross bleibt man letztlich auf einer bestimmten "Stufe" stehen und entwickelt sich züchterisch - trotz Selektion - nicht wirklich weiter fort, was in der Retromopszucht aber erwünscht ist. Man erhält fitte, vitale Tiere aber nicht unbedingt den Mops. Damit birgt diese sehr schematische Form des Zuchtweges beim Rassehund eben auch Nachteile mit sich und eignet sich meines Erachtens nur für einen temporär begrenzten Einsatz. 

 

Vor dem Hintergrund des oben Erklärten erschien unserer Züchtergemeinschaft von Anfang unserer Zuchtarbeit an die sog. Verdrängungszucht am vielversprechendsten

 

Bei einer Verdrängungskreuzung werden in eine Rasse - hier den Mops - ein Hund einer weiteren Rasse eingekreuzt, um Merkmale der eingekreuzte Rasse dem Genpool der Anfangspopulation hinzuzufügen.  

  

Der Beginn ist demgemäß eine Kreuzung zwischen der Rasse Mops, denn die galt es ja zu verbessern, und einer zweiten Rasse - z.B. Parson Russell -  aus der in der F1 Generation die Nachkommen  Mops/Parson mit jeweils 50% des Genmaterials der Eltern stammen. Dieser Nachwuchs wird dann erneut mit der Rasse Mops verpaart, was dann in der F2 Generation Welpen mit 75% Genen des Mopses und 25% Genen des Parson Russell ergibt. Diese Tiere sind optisch schon wieder sehr deutlich als Möpse zu erkennen und zeigen auch schon wieder die charakterlichen Eigenschaften des Mopses. Verpaart man nun diese F2-Hunde für die F3-Generation zu 100% weiter zurück auf den Mops, erhält man  87,5%-Mopsanteil in der Nachkommengeneration. Bereits bei der F4 Generation hat man nur noch rund 6% Gene des Parson Russell und in der F5 Generation verbleiben gerade noch 3% dieses "fremden" Genmaterials. 

 

Dieses Zuchtmodell wird auch als Rückkreuzung bezeichnet. Allerdings: die erwünschten  Merkmale der eingezogenen Rasse verwässern auf diese Weise zusehends und können nach wenigen Generationen wieder verschwinden. Damit langt man genetisch recht schnell wieder bei der Ausgangsrasse - mit eben aber auch ihren Problemen an.

 

Um dies zu verhindern gestattet unser Zuchtweg, dass im Bedarfsfall die oben beschriebene Kreuzung wiederholt wird. D.h.: es finden immer wieder Kreuzungen statt, deren Nachkommen dann durch Rückkreuzung in die Rassepopulation eingezogen werden. Hierbei bedienen wir uns aber - anders als es bei der Viehzucht in der Regel durchgeführt wird - keines festen Schemas sondern entscheiden von Einzelfall zu Einzelfall was züchterisch geboten ist... Dies erfordert allerdings eine sehr genaue und vor allen Dingen ehrliche Begutachtung der Zuchttiere und der künftigen Verpaarung. 

 

Die Zucht des ZG Retromopses beschreibt dabei den Weg einer diskontinuierlichen, nicht terminalen Kreuzungszucht, die es erlaubt, Zuchtstrategien von Generation zu Generation anzupassen. Die Erhöhung der Anteile heterozygoter Gene innerhalb der Population vermindert darüber hinaus - im Vergleich zur Reinzucht - das Risiko einer Inzuchtdepression, in der mit vermindert leistungsfähigen Tieren und mit Erbfehlern geschädigten Nachzuchten gerechnet werden muss.  

 

Auf diese Weise erhöhen wir also die genetische Diversität der Ausgangsrasse "Mops", erhalten diese Diversität auch innerhalb der Nachfolgegenerationen aber verlieren nicht das Rassebild und seine Eigenschaften aus den Augen.  Selbstredend bedienen wir uns im Rahmen der Weiterzucht mit unseren fremdblutbeeinflussten Tieren auch dem züchterischen Element der Selektion um besonders förderungswürdige Merkmale zu stärken.

 

Dies war aber nur ein erster Teilaspekt unserer Zuchtstrategie. Langfristig bedurfte es eines "größeren" Denkens um tatsächlich eine stabile Zuchtpopulation "Retromops" aufzubauen. Und so hat sich unsere Züchtergemeinschaft Anfang 2020 vermehrt damit beschäftigt ein solches zuchtübergreifendes Konzept zu entwickeln.

 

Hierfür lohnt sich durchaus ein Blick über den Tellerrand! Tatsächlich gibt es bereits ein ähnliches und sehr erfolgreiches Projekt, dem die Verbesserung einer über die Jahre viel zu sehr ins Extrem getriebenen Rasse am Herzen lag. Die Rede ist vom Continental Bulldog!

 

Die Schweizerin Imelda Anghern, langjährige Züchterin von Englischen Bulldoggen, wollte sich nicht mit den zunehmenden gesundheitlichen Problemen einer mehr und mehr ins Extrem getriebenen Rasse abfinden und suchte einen Weg, die Englische Bulldogge wieder zu einem gesunden Begleithund werden zu lassen. In ihrem Buch „Rasseportrait English Bulldog“ (Kynos Verlag, 1993) kritisierte sie, dass in der Show oft nicht nach dem vorhandenen Zuchtstandard gerichtet wurde, sondern dass viel zu plumpe, massige Hunde mit übergroßen Köpfen den sportlicheren und beweglicheren Hunden vorgezogen würden. Die Englische Bulldogge wurde auf diese Weise über die Jahre - genau wie der Mops - in ein gesundheitsgefährdendes Extrem getrieben. Früh erkannte sie, dass eine wirkliche Rasseverbesserung nicht mehr innerhalb der Rassegrenzen möglich war. Eine Einschätzung, die sich in zahlreichen Fachgesprächen mit dem bekannten Kynologen Dr. h.c. Hans Räber bestätigte. Denn eine züchterische Selektion zurück auf einmal "aussortierte" Merkmale, ist innerhalb einer geschlossenen Zuchtpopulation schlicht und einfach nicht möglich. Damit bliebt für die Rasseverbesserung nur der Weg des Outcross. 

 

Als die Schweizerische Kynologische Gesellschaft die Erlaubnis für ein solches Einkreuzungsprojekt gab, suchte Imelda Anghern geeignete Zuchthunde in ganz Europa und Amerika. Ihr Ziel war es zunächst nicht, eine neue Rasse zu schaffen, sondern die Englische Bulldogge wieder weg vom Extrem zu führen und damit gesunden zu lassen. Zur Umsetzung dieses Ziels züchtete sie die Olde English Bulldogge, eine gemäßigte, sportliche Bulldogvariante in die Englische Bulldogge ein. 

 

Die Kreuzungen zwischen English Bulldog und Olde English Bulldog fanden also mit Wissen und Unterstützung der Schweizerischen Kynologischen Gesellschaft statt. Schon bald zeigte sich, dass das Zuchtprojekt auf die Schaffung einer neuen Rasse hinaus lief; zur Abgrenzung zum English Bulldog wurde für die neue Rasse der Name" Continental Bulldog" gewählt.

 

Am 15. September 2004 wurde dem Antrag zur Anerkennung der neuen Rasse "Continental Bulldog" stattgegeben. Am 5. Dezember 2004 wurde der Continental Bulldog Club Schweiz  gegründet und und knapp anderhalb Jahre später, am 22. April 2006, formierte sich der Continental Bulldog Deutschland e.V. Im Januar 2015 wurde die neue Rasse in Deutschland durch den VDH anerkannt. 

 

Für die Anerkennung einer neuen Hunderasse verlangt die FCI 8 voneinander unabhängige Blutlinien, die in den letzten drei Generationen keine gemeinsamen Ahnen besitzen dürfen. Dabei müssen sich die jeweiligen Blutlinien aus mindestens zwei Deckrüden sowie sechs Zuchthündinnen zusammensetzen.

 

Nun hat unsere Züchtergemeinschaft für den Retromops zu keiner Zeit eine Anerkennung durch FCI und VDH erstrebt und wollte auch keine neue Rasse begründen. Die "Idee" der FCI, durch die genannten Vorgaben zunächst einmal eine ausreichend große Zuchtpopulation mit guter genetischer Varianz zu schaffen, ist jedoch durchaus nachahmenswert, auch wenn unser Zuchtweg weiterhin durch ein "offenen" Zuchtbuchs gekennzeichnet bleiben wird.

 

Eine möglichst große Zuchtpopulation des ZG Retromops - verteilt auf unterschiedliche blutsfremde Linien - hat nämlich u.a. den Vorteil, dass man eines der wichtigsten züchterischen Elemente, die Selektionszucht, innerhalb des Retromopsbestandes guten Gewissens praktizieren kann, ohne direkt wieder bei zu "engen" Blutlinien zu landen und damit wieder in eine Inzuchtdepression zu geraten.

 

Sofern dann innerhalb der blutsfremden Linien auch die unterschiedlichen, zur Einzucht zugelassenen Rassen vertreten sein werden, besteht darüber hinaus in Rahmen der Weiterzucht die Möglichkeit, Genmaterial jeder einzelnen Rasse - ganz grob angelehnt an die Idee der Rotationszucht - in die einzelnen "Zuchtprodukte" zu bringen. Damit verringert sich das Risiko, dass sich rassetypische genetische Erkrankungen manifestieren, noch einmal maßgeblich...

 

Aktuell verfügen wir innerhalb unserer Züchtergemeinschaft über fünf unabhängige Blutlinien, die zum Teil durch mehrere Zuchttiere repräsentiert werden. Im kommenden Jahr werden es mindestens sieben Blutlinien sein... Über unseren Zuchtfortschritt werde ich berichten.

 

 

 

Quellen:

 

Dr. Viola Hebeler, Vererbung von Verhalten beim Hund

https://www.tierarztpraxis-hebeler.de/images/downloads/ABCD_Vererbung_von_Verhalten_beim_Hund.pdf

 

Dr. Viola Hebeler: Grundlagen angewandter Genetik für die Hundezucht - http://www.abcdev.de/artikel/Grundkurs_Genetik.html

 

http://genetics.thetech.org/ask-a-geneticist/dog-inbreeding

 

https://sommerfeld-stur.at/

 

Roxy Bergsma, Fokstrategieën met Outcross

 

Dodman, N.H. et al. (2010): „A canine chromosome 7 locus confers compulsive disorder susceptability“, Molec. Psych. 15, 8-10

 

Derr, Mark (2004): Collie or Pug? Study Finds the Genetic Code. The New York Times. [21.05.2004].

 

Feddersen-Petersen, D. (1992): „Hunde und ihre Menschen“, Franckh-Kosmos, Stuttgart

 

Padgett, G.A. (1998): „Control of Canine Genetic Diseases“, Howell House

 

https://de.wikipedia.org/wiki/Genfluss_archaischer_Menschen_zu_Homo_Leroy, G. (2011).

 

Genetic diversity, inbreeding and breeding practices in dogs: results from pedigree analyses. The Veterinary Journal, 189(2), 177-182.

 

Stronen, A. V., Salmela, E., Baldursdottir, B. K., Berg, P., Espelien, I. S., Järvi, K., ... & Lohi, H. (2017). Genetic rescue of an endangered domestic animal through outcrossing with closely related breeds: A case study of the Norwegian Lundehund.

 

Kirkness, E.F. et al. (2003): The dog genome: survey sequencing and comparative analysis. Science 301, S. 1898 ff.

 

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Parker, H.G. et al. (2004): Genetic structure of the purebred domestic dog. Science 304, S. 1160 ff.

 

 

 

 

 

 

 

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